Finnland: „In keinem Teil des Baugenehmigungsverfahrens wird mehr Papier verwendet“ – Interview mit Pekka Virkamäki

Pekka Virkamäki ist Justitiar im finnischen Umweltministerium und begleitet die dortige Einführung des IFC-basierten Bauantrags. Für unser „Berlin Briefing“, den politischen Newsletter von buildingSMART Deutschland, haben wir mit ihm zum Stand der Umsetzung des digitalen Bauantragsverfahrens in Finnland gesprochen.

Herr Virkamäki, was war der Ausgangspunkt für die Entscheidung, den papierlosen und IFC-basierten Bauantrag in Finnland einzuführen?
 Seit dreißig Jahren bewegt sich die finnische Bauindustrie in Richtung elektronischer Transaktionen und der Verwendung von Datenvorlagen bei der Planung von Gebäuden. Bis 2015 war die Baukontrolle vollständig papiergestützt. Im Jahr 2014 wurde Cloudpermit, eine vom Umweltministerium und den Betreibern entwickelte elektronische, cloudbasierte Plattform, eingeführt. Bis zum Ende des Jahrzehnts, also bis 2020, hatten dann alle 270 finnischen Gemeinden auf die elektronische Welt umgestellt. Heute wird in Finnland in keinem Teil des Baugenehmigungsverfahrens mehr Papier verwendet. In 220 Gemeinden wird die Lösung von Cloudpermit und in 40 Gemeinden Trimbles e-permit genutzt. 2019 leitete die Regierung eine umfassende Reform des Baugesetzes ein. Im Einklang mit der allgemeinen Entwicklung des Bausektors war hier der Ausgangspunkt die schrittweise Umstellung auf BIM-Tools, auch für die Baukontrolle, und der Einsatz von KI-Produkten zur Überprüfung von Bauvorschriften und zur Datengenerierung. Das derzeitige PDF-Format der Pläne wird als nicht mehr ausreichend angesehen.Die öffentlichen Verwaltungen dürfen heute für ihre Arbeit keine proprietären  Datenmodell-Produkte verwenden, da diese nicht für die langfristige Speicherung und Archivierung geeignet sind. Das neue Gesetz zielt auch darauf ab, Produktneutralität und damit den Gedanken von Open-BIM zu gewährleisten.
Wie ist der Stand der Umsetzung? 
Die Regierung hat im Frühjahr 2023 ein neues Baugesetz verabschiedet, das ab Anfang 2025 in Kraft treten wird. Nach dem neuen Gesetz müssen Architekten bei der Beantragung einer Baugenehmigung die Pläne als BIM-Modell einreichen, sofern der Entwurf mit Hilfe von BIM erstellt wurde.Außerdem muss der Bauherr BIM-Baupläne einreichen, die dokumentieren, wie das Gebäude tatsächlich gebaut wurde (as built). Die Pläne enthalten auch Informationen über den digitalen Zwilling des Gebäudes und sind für die Endabnahme und die Nutzungsgenehmigung des Gebäudes erforderlich. Die Pläne müssen in einem archivierbaren Format eingereicht werden. Das einzige Format, das vom Nationalen Archivamt für die Langzeitarchivierung in Finnland im Oktober 2022 genehmigt wurde, ist IFC 4.0.
Welche Hindernisse und Herausforderungen gibt es dabei noch?
Auf Regierungsebene werden derzeit noch Verordnungen ausgearbeitet, die spezifische Details enthalten. Außerdem wird ein neues nationales Register für die gebaute Umwelt eingerichtet, in dem ab 2025 Informationen und Dokumente über neu errichtete Gebäude von den kommunalen Bauaufsichtsbehörden gesammelt werden. Die Vorbereitungsarbeiten laufen bereits seit drei Jahren, sind aber noch nicht abgeschlossen.Der Bausektor freut sich jedoch auf die neuen Entwicklungen. Ziel ist es, die Genauigkeit und die Geschwindigkeit des Baukontrollverfahrens zu verbessern. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Einzelheiten, die in den kommenden Verordnungen festgelegt werden. Dazu zählen Fragen wie beispielsweise die Detailliertheit von Informationen und Entwürfen sowie die mögliche Auswirkung der Umstellung auf den Antragsteller. Auch der Schutz und Zugang zu diesen Informationen sind wichtige Fragen.
Und wie reagieren die am Bau Beteiligten?
Die Urheber von 3D-Modellen setzen sich für eine faire Bezahlung für die potenziellen neuen Aufgaben und für ihre allgemeinen Rechte am 3D-Design ein.Die Bauaufsichtsbehörden und lokalen Behörden stehen vor der Herausforderung, sich in kurzer Zeit auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Dazu gehören beispielsweise Schulungen, neue Ausrüstung sowie veränderte Arbeitsmethoden mit entsprechenden Kosten. Zusätzlich befinden sich die neuen Werkzeuge zur Informationsbeschaffung und Überprüfung von IFC-Dateien noch in der Entwicklung.
Was sind die größten Erfolge bisher?
Für das neue Baugesetz wurde grünes Licht gegeben und die Verordnungen sollen bis April 2024 fertiggestellt sein. Eine neue Plattform für das Nationale Register der bebauten Umwelt wird entwickelt und ihre Schnittstellen mit kommunalen Systemen getestet. Die ersten der neuen Tools, Rava3Pro und Accord zur Überprüfung von Codes und zum Abrufen von Gebäudedaten aus IFC-Dateien, werden ebenfalls getestet.Nicht zu vergessen: Gut 200 Bauaufsichtsbeamte (von insgesamt 650) haben bereits ein 15-wöchiges Programm absolviert, um zu lernen, wie sie BIM-Tools für ihre praktische Arbeit nutzen können.

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